38. Sokratisches Treffen

Termin:
Samstag, 26.4.2018 – Sonntag, 27.4.2018
Thema:
Sokrates und Sokratisches in Judentum, Christentum und Islam

Eines der faszinierendsten Phänomene ist der Kontakt der griechischen Kultur mit den nichtgriechischen Religionen – sei es im hellenistischen Judentum und den spätesten Büchern der jüdischen Bibel, bei der theologisch-philosophischen Durchdringung des christlichen Dogmas in der spätantiken Theologie oder in der breiten Rezeption der griechischen Philosophie in der islamischen Welt. Den damit verbundenen Fragen ist die 38. Tagung der Sokratischen Gesellschaft nachgegangen, zumal die Gestalt des Sokrates in den religiösen Diskursen weit über die Antike hinaus Interesse gefunden hat.

Programm


Samstag, den 26. April 2018

9.30
Eröffnung: Prof. Dr. Michael Erler
10.00 - 11.00
Prof. Dr. Barbara Schmitz, Würzburg

Das Buch Judit und seine Bezüge in das griechische Umfeld

Das Buch Judit erzählt von der Rettung Israels durch die schöne Witwe Judit, die den assyrischen General Holofernes mit seinem eigenen Schwert tötet. Diese ins 1. Jh. v. Chr. zu datierende Erzählung schildert nur auf den ersten Blick eine reißerische Geschichte, ein vertiefter Blick zeigt vielmehr, dass die Erzählung von einer Reflexionsebene durchzogen ist, die sich vor allem in den Reden und Gebeten zeigt. Diese weisen nicht nur zahlreiche Bezüge in die griechische Bibel, die Septuaginta, auf, sondern auch in das 'griechische Umfeld'. Dies zeigen einzelne Formulierungen (so z.B. dem Ausdruck "Erde und Wasser bereit halten") ebenso wie geographischen Inszenierungen (die fiktive Stadt Betulia hat eine Engstelle wie man dies von der Schlacht an den Thermopylen kennt) oder genuin griechische Überlieferungen (so ist etwa die Tradition über Harmodios und Aristogeiton als die ersten Tyrannentöter als bekannt vorauszusetzen). Damit ist die Juditerzählung nicht nur in der 'Welt der Septuaginta', sondern gleichermaßen in ihrem 'griechischen Umfeld' zu verorten. Vor diesem Hintergrund zeigt sich, dass die Verfasser der Juditerzählung wie die Leserschaft in der hellenistischen Kultur verankert und mit dieser vertraut sein dürften.

11.30 - 12.30
PD Dr. Matthias Perkams, Jena

Das Wissen des Nichtwissens in der Schule von Nisibis. Philosophie in Barhabbešabba von Ḥalwāns „Die Ursache der Gründung der Schulen“ (um 590)

Man kann mit guten Gründen vermuten, dass das syrische Denken für das Verständnis der Philosophie im Orient, insbesondere im Islam, von hoher Relevanz ist. Eine Lektüre von Barḥaḏbǝšabbā von Ḥalwāns „Ursache der Gründung von Schulen“ bestätigt diesen Eindruck. Er ist nicht nur ein höchst bedeutendes Zeugnis für das systematische Niveau, dass das syrische Denken unmittelbar vor der arabischen Eroberung erreicht hatte. Der Text zeigt auch, dass die berühmte Schule von Nisibis die geistigen Errungenschaften der Kirchenväter und des spätantiken Aristotelismus, und damit viele Elemente griechischer Philosophie, in recht geschlossener Form übernommen hatte und dass sie diese entsprechend ihren eigenen, sprachlich semitischen und kulturell orientalisch-persischen, Kontexten in vielerlei Weise angepasst hatten. Das Philosophie Ideal und das philosophische Niveau leben fort, der Prozess der Transformation ist in vollem Gange.

14:30 - 15:30
PD DDr.Christof Müller, Zentrum für Augustinusforschung, Würzburg:

Sokrates bei Sören Kierkegaard und Romano Guardini

Kierkegaard und Guardini beanspruchen Sokrates als hermeneutische Gestalt, der sie je eine wichtige Funktionsstelle in ihren religionsphilosophischen Lehren zuweisen. Beide Denker begreifen ihn als geistesgeschichtlichen Durchbruch vom kollektiven ‹Man› zur Subjektivität des wahrheitssuchen ‹Ich›. Jedoch während der Protestant Kierkegaard Sokrates und seine Ironie von einer geschlossenen platonischen Ideenlehre unterscheidet und gerade in dieser Unterscheidung die Möglichkeit sieht, den ‹Sprung› des christlichen Glaubens dialektisch an Sokrates anknüpfen zu lassen, sieht der Katholik Guardini eine zutiefst religiöse Verwurzelung und Zielorientierung des als Einheit verstandenen Platonisch-Sokratischen, das eine weit harmonischere Anknüpfungsmöglichkeit des Christlichen nahelege.

15.30
Prof. Dr. Wolfgang Hinrichs

Buchvorstellung: W. Hinrichs, Markus Porsche-Ludwig, Jürgen Bellers (Hg.): Eduard Spranger: Verstehende Kulturphilosophie der Politik – Ökonomie – Pädagogik … (Originaltexte u. Interpretationen), Nordhausen 2013


Sonntag, den 27. April 2018

9.30 - 10.30
Jan Rösler / Marion Schneider, Würzburg:

Workshop für Studierende: Wissen macht A...porie. Sokrates als Vermittler von Medienkompetenz

Der Workshop „Wissen macht A…porie – Sokrates als Vermittler von Medienkompetenz“ richtete sich an Lehramtstudierende, die Spaß haben an aktueller Anwendung von antiker Literatur und Philosophie auf die eigene Lebenswelt in und außerhalb des Lehrberufs: Intention des Workshops war es, Sokrates’ kritische Haltung gegenüber verschiedenen Medien und die (oft stutzig machende) Methode der sokratischen Gesprächsführung, wie wir sie aus den Dialogen Platons kennen, mit Theorien aus der pädagogischen Psychologie zusammenzubringen und zu einer Methode für die Medienerziehung im Unterricht auszuarbeiten. Mittels einführender Vorträge und in der gemeinsamen Diskussion unterschiedlicher Texte aus der modernen Medienlandschaft beschäftigten sich die Studierenden mit Fragen wie „Was ist und wozu brauchen wir Medienkompetenz?“, „Machen Medien dumm? (Sokrates’ Kritik der Schriftlichkeit)“ oder „Macht ein weißer Kittel zum Experten? (Sokrates’ Kritik der Mündlichkeit)“ und unternahmen den Versuch, eine Brücke zwischen dem Konzept der sokratischen Gesprächsführung und der modernen Theorie des pädagogischen Co-Konstruktivismus zu schlagen. Am Ende stand ein Appell: Mut zur Aporie im Unterricht als Training für die Konfrontation mit Aporien in einer zunehmend komplexeren Welt!

11.00 - 13.00

Prof. Dr. Gerard Boter, Amsterdam
Auftritt als Epiktet

„Hört mal was Zeus sagt: ‚Epiktet, wenn es möglich gewesen wäre, so hätte ich auch deinen Körper und deine Besitztümer frei und ununterworfen gemacht. Du sollst aber wissen, dass dieser Körper nicht dir gehört: es ist nur kunstvoll modellierter Schlamm. Und weil wir Götter dir dies nicht haben geben können, haben wir dir einen Teil von uns selbst gegeben: die Fähigkeit des Bestrebens und des Vermeidens, die Fähigkeit der Begier und der Abneigung, kurz, die Fähigkeit mit deinen Vorstellungen umzugehen. Wenn du all das deine darin einordnest, so wirst du nie gehindert werden, nie gehemmt werden, du wirst dich nie beschweren, du wirst niemandem etwas vorwerfen und niemandem schmeicheln. Also, scheint dies dir etwas Geringfügiges?‘ Ihr habt gehört was Zeus gesagt hat. Sind wir auch nur sterbliche Menschen, so haben wir doch etwas Unsterbliches in uns …“

Der ganze Auftritt kann bei Youtube angesehen werden (in italienischer Sprache).