kommende Tagung


47. Sokratisches Treffen

Termin:
Freitag, 7.6. bis Samstag, 8.6.2024
Thema:
Sokrates und das Judentum

Zwar ist es unwahrscheinlich, dass Sokrates mit Jüdinnen oder Juden persönlich bekannt war oder dass er Kenntnis von der jüdischen Kultur, Literatur und Religion hatte. Der Dialog zwischen der von Sokrates geprägten antiken Philosophie und dem Judentum ist jedoch eine philosophiegeschichtliche Realität. Philon von Alexandria, ein Zeitgenosse des Paulus, zog für seine griechisch geschriebene Tora-Exegese Ergebnisse und Denkmittel der hellenistischen und platonischen Philosophie heran; damit übte er nachhaltigen Einfluss auf die christliche Exegese aus, die – historisch irrig, aber inhaltlich interessant – eine Beeinflussung Platons und der griechischen Denker durch Mose und die Propheten zu erkennen meinte. Die Interaktion setzt sich weit über die Antike hinaus bis in die Frühe Neuzeit (Simone Luzzatto), die Aufklärung (Moses Mendelssohn) und bis in die Gegenwart hinein fort. Wie Philosophie und Judentum voneinander lernen oder auch miteinander streiten – das ist das Erkenntnisinteresse unserer diesjährigen Tagung.

Programm


Freitag, den 7. Juni 2024

16.00-19.00
Christoph Kram Erlangen / Marion Schneider Ansbach / Elyze Zomer Tübingen
Workshop für LehrerInnen und StudentInnen

„Solange sie lebte, spielte sie“ – Spielen... wie in der Antike
Im Workshop gehen wir dem Phänomen des Homo ludens auf den Grund: Wir werfen einen Blick auf verschiedene philosophische Theorien zur kulturbildenden Funktion des Spielens, arbeiten mit altorientalischen, griechischen und römischen Quellen zu verschiedenen Formen des Spiels und probieren selbst einige Beispiele von antiken, aber auch modernen Spielen, die sich mit antiken Themen befassen, aus. Sofortige Anwendungsmöglichkeiten für den eigenen Unterricht, Projekt- oder Infotage zur Antike sind garantiert.

Anmeldung bis zum 31.05.2024 per Email an Marion.Schneider@uni-wuerzburg.de

ab 20.00
Gemeinsames Abendessen und Beisammensein in der Pizzeria Pepe in Roma, Herzogenstr. 6, 97070 Würzburg


Samstag, den 8. Juni 2024

9.30
Eröffnung: Prof. Dr. Christian Tornau

10.00-11.00
PD Dr. Elyze Zomer, Tübingen
„An den Strömen von Babel...“: Die Juden im babylonischen Exil nach altorientalischen Keilschrifttexten
Nach der Eroberung Jerusalems durch die Babylonier 587 v. Chr. wurden viele Juden nach Mesopotamien deportiert. Dort sollen sie sich nach Zion verzehrt haben, heißt es in der Bibel. Das Gegenteil war wohl der Fall. Die Urkunden aus Al-Yahudu („die Stadt der Judäer“) sind in babylonischer Keilschrift verfasst und werden zwischen 572 v. Chr. und 477 v. Chr. datiert. Sie bezeugen, dass die Juden zahlreiche Berufe ausübten, vom Fronarbeiter bis zum Fernhändler und höheren Beamten. Die Keilschrifttexte zeigen, dass die Bewohner von Al-Yahudu Wert auf ihre Herkunft legten, sich aber zugleich in ihrer neuen Heimat zu Hause fühlten. In diesem Vortrag werden die neueste Erkenntnisse zu diesen spannenden Keilschrifttexten vorgestellt und schließlich mögliche Beispiele des Wissenstransfers zwischen dem babylonischen Talmud und Babylonien diskutiert.
Pause
 
11.30-12.30
Dr. Fulco Timmers, Rotterdam
Philo of Alexandria: Only the pious can become truly wise
(in englischer Sprache)
Der Jude Philon, der in der ersten Hälfte des ersten Jahrhunderts n. Chr. in Alexandria in Ägypten lebte, ist ein faszinierendes Beispiel für einen hellenistischen Intellektuellen und Philosophen. Während andere Intellektuelle seiner Zeit ihre philosophischen Einsichten durch die Untersuchung von Homers Dichtung oder ägyptischer Mythen entwickelten und weitergaben, war es Philons Ziel, seinen Lesern die Weisheit zu vermitteln, die er in der für ihn maßgeblichen antiken Quelle fand: der Bibel. Seine Bemühungen haben uns eine beachtliche Menge von Abhandlungen hinterlassen, von denen die meisten ihren Ausgangspunkt in Passagen aus dem Pentateuch haben und von denen einige bestimmten philosophischen Themen oder historischen Ereignissen gewidmet sind.
In Philons Denken lassen sich Ideen aus verschiedenen philosophischen Traditionen erkennen, vor allem platonische Vorstellungen. Aber es ist schwierig und sogar bedenklich, Philon einer bestimmten Schule zuzuordnen – seine Philosophie ist eine besondere Mischung aus Traditionen mit eigenständigen Charakterzügen. In diesem Vortrag werden wir ein wenig in Philons Gedankenwelt eintauchen, indem wir fragen: Wie kann der Mensch nach Philon weise werden und Gutes tun? Die Antwort auf diese Frage wird bereits im Titel verraten: Nur die Frommen können wirklich weise sein. Doch während wir dieser Frage nachgehen, wird ein anderes Problem angesprochen, das mit dem Gesamtthema dieser Konferenz zusammenhängt: Inwieweit lassen sich die Beiträge von "Sokrates" (d.h. der griechischen Philosophie) und die des Judentums zu Philons Sichtweise voneinander abgrenzen?
Mittagspause
 
14.30-15.30
Dr. Michela Torbidoni, Hamburg
Der skeptische Sokrates von Rabbi Simone Luzzatto (1583-ca. 1663)
Sokrates, oder vom menschlichen Wissen [Socrate overo dell’humano sapere] ist ein philosophisches Werk, das Simone Luzzatto, ein Rabbiner in Venedig, im Jahr 1651 verfasste und dem Dogen sowie dem Rat seiner Heimatstadt widmete. In diesem Werk präsentiert Luzzatto die bekanntesten Lehren der Antike und der frühen Neuzeit, indem er Sokrates einsetzt, um verschiedene Disziplinen zu erkunden. Ziel ist es, die Illusionen und Irrtümer des menschlichen Wissens aufzudecken. Der Vortrag beabsichtigt zunächst, Luzzattos Darstellung des Sokrates als skeptischen Weisen zu beschreiben. Danach wird seine Anwendung der skeptischen Philosophie als Methode analysiert. Schließlich wird gezeigt, wie der von Sokrates praktizierte Skeptizismus äußerst funktional für Luzzattos ehrgeiziges Projekt ist. Luzzatto verwendet Skepsis in Verbindung mit Naturphilosophie, um eine gemeinsame Theologie zu bekräftigen, in der sich griechische und biblische Weisheit treffen. Ähnlich wie Moses Mendelssohn in seinem berühmten Werk Phaedon greift Luzzatto auf die bekannte Figur des Sokrates, eines Heiden, zurück, um die sensible Frage des Verhältnisses zwischen Religion und Philosophie im Judentum zu diskutieren.
Pause
 
16.00-17.00
Mitgliederversammlung
18.00-20.00
Verleihung des „Sokratischen Selbstdenker-Preises“

Wolfgang Osiander, Ansbach / Claudia Dölker und Hartmut Sheyhing, Ansbach
Szenische Lesung aus den Tagebüchern von Etty Hillesum
Die Tagebuchaufzeichnungen und Briefe der niederländischen Jüdin Etty Hillesum, die 1943 in Ausschwitz ermordet wurde, sind ein ungewöhnliches und gleichzeitig faszinierendes Zeitzeugnis der Schoah, in dem die junge Philosophin mit einer von tiefem Humanismus geprägten Liebe zum Leben den zunehmenden Verfolgungen durch den Nationalsozialismus entgegentritt. Kraft für den inneren Widerstand schöpft Etty Hillesum dabei aus den Gedanken der philosophischen und theologischen Tradition des Abendlands.

Musikalische Umrahmung: Musikgruppe "Allegro ma non troppo"

(Ort: Toscanasaal der Würzburger Residenz, Residenzplatz 2, Tor A, 97070 Würzburg, 2. Stock)

ab 20:30
Empfang mit Wein vom Weingut Reiss und Gebäck


Sonntag, den 9. Juni 2024

ab 11.00
Führung im Jüdischen Museum Shalom Europa, Valentin-Becker-Straße 11, 97072 Würzburg (https://museumshalomeuropa.de)

Um pünktliches Erscheinen wird gebeten.

Die Tagung findet, soweit nicht anders angegeben, in der Bibliothek des Instituts für Klassische Philologie statt (Residenzplatz 2, Tor A, 97070 Würzburg, 3. Stock).

Veranstalter: Sokratische Gesellschaft in Verbindung mit der Universität Würzburg (Institut für Klassische Philologie)

Kontakt:

Prof. Dr. Christian Tornau (christian.tornau@uni-wuerzburg.de)
Marion Schneider (marion.schneider@uni-wuerzburg.de)
Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Institut für Klassische Philologie
Straße: Residenzplatz 2
PLZ/Ort: D 97070 Würzburg
Tel.: 0931/3188419