Sokratischer Selbstdenkerpreis 2020

Erster Preis:
Cosima Dreher (Melanchthon-Gymnasium Nürnberg)

Die ethischen Normenkonflikte bei Sophokles’ Antigone und Sophie Scholl im Vergleich

Antigone, Sophie Scholl und auch die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg werden in medialen Äußerungen häufig in einem Atemzug genannt. Diese Analogie unterzieht Cosima Dreher einer Überprüfung. Glanzstück der Arbeit ist der einlässliche Vergleich der beiden Protagonistinnen. In beiden Fällen setzen sich Frauen über die ihnen von einer patriarchalischen Gesellschaft auferlegten Grenzen hinweg und scheinen gerade daraus die Kraft zum Widerstand zu gewinnen; Religion fungiert bei beiden als Richtschnur, allerdings weniger als dogmatisches System denn als Verkörperung jener unverhandelbaren Werte, deren Missachtung durch einen fehlgeleiteten Staat den unbedingten Widerstand verlangt. Cosima Dreher zeigt in ihrer Arbeit den Willen und die Fähigkeit zu prüfen und zu unterscheiden, gerade dort, wo es um Grundfragen des menschlichen Handelns geht. Das ist Selbstdenken in bester sokratischer Tradition. Wir gratulieren zu dieser Leistung sehr herzlich.

Zweiter Preis:
Jannika Lechner (Egbert-Gymnasium Münsterschwarzach)

Frieden im Krieg. Eine Interpretation des 24. Gesangs der Ilias

Im letzten Gesang der Ilias erwirkt der trojanische König Priamos von Achill die Herausgabe seines getöteten Sohnes Hektor. Jannika Lechner analysiert diese Hikesie-Szene auf hohem altsprachlichen Niveau und mit tiefer gedanklicher Durchdringung des Themenkomplexes ‚Krieg und homerische Helden‘. Mit einem sehr persönlichen, aber nie aufdringlichen Zugang zu dieser Thematik gelingt es ihr, den Lesern die Aktualität der homerischen Sichtweise auf Krieg und Frieden bewusst zu machen. Nachhaltig berührt am Ende ihre Überzeugung, dass die Annäherung an 3000 Jahre alte homerische Helden, an den „Mut“ eines Priamos und die „Größe im Mitleid“ eines Achill, die Welt von heute ein Stück besser machen könnte. Mit dieser unkonventionellen Überlegung stellt sich Jannika Lechner hervorragend in die Tradition des Sokrates, die sie gleichzeitig durch den Beweis des hohen sprachlichen und ethischen Reflexionsgrades, der an humanistischen Schulen noch heute zu erreichen ist, mit aufrechterhält. Für diese Leistung beglückwünschen wir sie herzlich.

Bericht in der „Mainpost“, Kitzingen