Sokratischer Selbstdenkerpreis 2021

Erster Preis:
Jana Stetter (Wirsberg-Gymnasium Würzburg)

Kirke und Alcina. Die Figuren der Kirke in Homers Odyssee und der Alcina in Händels gleichnamiger Oper im Vergleich

Homers Kirke und Händels Alcina sind beide Zauberinnen, die eine verwunschene Insel bewohnen, mit dem männlichen Helden, der auf der Insel landet, eine Liebesbeziehung eingehen oder eingehen wollen und ihn letztendlich wieder verlieren. Jana Stetter untersucht die unterschiedlichen Ausprägungen, die diese gemeinsame Tradition in den beiden Versionen erhält, fragt nach deren möglichen Gründen und gibt wohlüberlegte, auf selbständige Durchsicht der Quellen gestützte Antworten. Ein Glanzstück ist die ausführliche Charakteristik der Alcina, die von Jana Stetter multiperspektivisch durch die philologische Analyse des Librettos und durch eine musikwissenschaftlich methodensichere und zugleich anschauliche Interpretation der Arie „Ah mio cor“ erarbeitet wird. Bei der Frage nach Händels Quellen berücksichtigt Jana Stetter die bekannte epische Darstellung in Ariostos Orlando Furioso, aber auch weniger bekannte Darstellungen. Bemerkenswert und originell ist die Beobachtung, dass die vergleichende Lektüre von Händel und Ariost einen freundlich-fürsorglichen Zug der Händelschen verlassenen Alcina sichtbar macht, der sie in überraschende Nähe zur homerischen Kirke bringt.

Jana Stetter erreicht in der vorgelegten Arbeit wissenschaftliches Niveau und zeigt den Willen und die Fähigkeit, bei der Beurteilung historischer, literarischer und menschlicher Sachverhalte eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen. Wir gratulieren zu dieser Leistung sehr herzlich.

Zweiter Preis:
Luise Schottelius (Wittelsbacher-Gymnasium München)

Die Revolutionierung der anatomischen Grundlagen durch Andreas Vesalius am Beispiel des Kehlkopfes

Das Thema dieser Arbeit ist kein naheliegendes, das zum klassischen Kanon der Schullektüre im Griechisch- oder Lateinunterricht gehören würde. Gerade darum hat es die Jury so eindrücklich überzeugt. Luise Schottelius stellt hier nicht nur ihre außergewöhnlich fundierten Kenntnisse zur medizinischen Fachliteratur von der Antike bis in die frühe Neuzeit, vom immensen Schriftwerk Galens über Celsus bis Andreas Vesalius im 16. Jahrhundert, unter Beweis, sondern versteht es auch, das komplexe Thema einem Laienpublikum klar und luzide verständlich zu machen. Eine chirurgisch präzise und historisch-philologisch überzeugende Beschreibung der Anatomie des menschlichen Kehlkopfes gelingt Luise Schottelius so, dass auch auf dem Gebiet der Kehlkopfanatomie völlig unbewanderte LeserInnen nachvollziehen können, welche Leistung Vesalius‘ Abkehr von der Auffassung des antiken Meisters Galen für den medizinischen Fortschritt Europas bedeutet hat. Dass sie Vesalius dabei als einen Vertreter des humanistischen Geistes auf dem Gebiet der Medizin versteht und ihn als großen Europäer bezeichnet, dessen Begegnung mit, aber gleichzeitig auch Überschreitung der griechisch-römischen Antike auch der Medizin den Weg in die Moderne geebnet hat, regt zum Nachdenken an. Für diese Leistung beglückwünschen wir sie herzlich.

Sonderpreis:
Schülerinnen und Schüler der Mittelstufe des Albertus-Magnus-Gymnasiums Regensburg

Filmbeitrag „Sieben gegen Eris“

Der Film leistet einen ebenso kreativen wie originellen Beitrag zur Bewerbung des Faches Altgriechisch, indem er unter Aktivierung gegenwärtiger Sehgewohnheiten unkonventionell an die altgriechische Sprache und Kultur heranführt. Das im Film erzählte Abenteuer einer Gruppe von Jugendlichen baut auf geschickte Weise Referenzen auf altgriechische Buchstaben und Texte sowie auf die Mythologie (und sogar auf das Lehrbuch „Kairos“) in eine wendungsreiche Geschichte ein, die ein Musterstück entdeckenden eigenständigen Lernens seitens der Gruppe abbildet. Basierend auf einem professionellen Drehbuch werden dabei auch cineastische Ansprüche in Form gehobener production values (Kostüme, Requisiten und visuelle Spezialeffekte) erfüllt. Durch seine Aura der ästhetischen ‚Coolness‘ spricht der Film seine jugendliche Zielgruppe in besonderem Maße an und wirbt in pfiffiger Manier indirekt für die nähere Beschäftigung mit dem Altgriechischen, das hier nicht als tote Sprache, sondern als lebendiges Kulturgut erscheint. Hierzu herzliche Gratulation!